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volume 4 juni 2001 |
Der Sturm vom 22. November 1971 |
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Erinnerungen an Radio Nordsee International (Teil 15) | ||||||
von Hans Knot | ||||||
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Leo van der Goot meldet am Ochtend von die 22. November 1971, dass die MEBO II vom Anker geschlagen ist | ||||||
1 | Radio machen von See ist nicht unter allen Umständen lustig. Bei einigen Deejays führte bereits ein kleiner Luftzug zu einem Gefühl von aufkommender Seekrankheit; eine Meldung von Windkraft 2 war für sie schon ausreichend, um einen Eimer mit ins Radiostudio zu nehmen. Andere Deejays hatten eine viel stärkere Konstitution und fuhren selbst bei Windkraft 7 fort als ob nichts los war. Aber auch die Verfassung eines Sendschiffes und die Lage der Studios im Schiff bestimmten die Windgefühligkeit und damit die Schwankungen des Schiffs und die Wahrscheinlichkeit von Seekrankheit. Um dem vorzubeugen, mußte immer genug Ballast auf einem Sendschiff anwesend sein und zwar in der Form von schweren alten Ankerketten oder Eimern mit Kies. Damit konnte ein Sendschiff unter schwierigen Wetterbedingungen einigermassen stabil liegen bleiben. Die MEBO II war ein solches Schiff mit ausreichend Ballast, aber auch hier tobte das Wetter einige Male so schwer, dass das Schiff doch in die Probleme kam. Ein Beispiel hierfür ist der Sturm, der am 22. November gegen die Niederländischen Küsten donnerte. | |||||
2 | Um zehn nach acht am Morgen des 22. November 1971 sendete der Kapitän der MEBO II, das Sendschiff von RNI, ein Bericht via geeichter Notkanäle für die Schifffahrt aus. Der Bericht war an Scheveningen Radio gerichtet und befaßte die Mitteilung, dass das Sendschiff vom Anker losgeschlagen war und abtrieb. Kurz davor hatte Deejay Leo van der Goot (vom niederländischen Service von RNI) bereits in dem Programm von Radio Nordsee erwähnt, dass Probleme an Bord entstanden waren: "Dies ist das Radiosendschiff MEBO II, das Radiosendschiff MEBO II ... Den Vermutungen unseres Kapitäns und unserer Bemannung zufolge sind wir vom Anker geschlagen ... Wir bitten sie, unser Büro in Hilversum von diesem Vorfall zu unterrichten ... Die MEBO II, die MEBO II treibt fort." Van der Goot muß doch leicht nervös gewesen sein, denn das Büro von RNI war bereits eher — mit dem Eintritt von Peter Holland — nach Naarden umgezogen. In seinem Bericht meldete er auch, dass die Sender stopgesetzt würden und die passierte auch tatsächlich als das Sendschiff in nationalen Wassern zurecht kam. Dies war notwendig, da ein Sendschiff, dass Programme in nationalen Wassern versorgte, jederzeit durch die Regierung, unter deren Geltung diese nationale Gewässer fielen, gefaßt werden konnte. Auch in Notsituationen durfte man keine Programme versorgen. |
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3 | Sofort nachdem der Kapitän Radio Scheveningen informiert hatte, wurde das Rettungsboot Bernhard van Leer, das seinen Heimathafen in Scheveningen hatte, eingesetzt, um die Besatzung falls nötig von Bord zu holen. Außerdem schickte die Marine vom Flugfeld Valkenburg bei Den Haag ein Neptun-Flugzeug. Wie ein Spielball lag die MEBO II steuerlos zur Beute und tatsächlich unternahm dann ein Teil der Besatzung einen Versuch, um in das Rettungsboot umzusteigen. Später, im Laufe des Nachmittags, gelang es der Besatzung des Schleppers Smitsbank, das inzwischen zur Assistenz eingetroffen war, ein Kabel zum Sendschiff zu übertragen. Danach wurde das Schiff durch die Smitsbank ins Schlepptau genommen. Man schleppte die MEBO II anschließend wieder zurück in internationale Gewässer und um halb fünf am Nachmittag konnten die Sendungen wiederaufgenommen werden. An erster Stelle wurde die Zuhörerschaft ausführlich über die Geschehnisse des Tages informiert. Danach bekam die Besatzung die Gelegenheit, um Grüße und Wünsche an ihre Familien auszurichten. | |||||
Kapitein Harteveld grüßt seine Familien | ||||||
4 | De Smitsbank hielt danach das Schiff bis zum Abend im Schlepptau, wonach ein kleiner Schlepper, die Thames, diese Aufgabe übernahm. Dieser Schlepper fuhr erst am Morgen des 24. November weg, da nicht eher eine Ankerkette inklusiv Anker plaziert werden konnte. An Bord waren an diesem bewußten stürmischen Tag unter anderem Leo van der Goot, Mike Ross, Brian McKenzie, Paul May und Terry Davis. Letzterer war durch den schweren Sturm so sterbensbang, dass er sich an der Heizung festbinden ließ, die danach spontan von der Mauer abriß. Im Laufe des Abends wurden die Programme fortgesetzt als ob nichts an der Hand war. In den nächtlichen Stunden gaben Mike Ross und Leo van der Goot in der Sendung "Skyline"eine ausführliche Überblick über die Geschehnisse. Aus diesem Bericht stilisierten wir die folgende Zusammenfassung: |
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5 | "Erst einmal eine kurze Übersicht über das, was alles mit der MEBO II geschah. Bis fünf Minuten vor drei in der gestrigen Nacht war ein Nordweststurm der Windkraft 11 Herr über unser Sendschiff. Danach brach sowohl die Kurzwellenantenne als auch die Fernsehantenne und einige Stunden später, um zehn Minuten vor acht morgens, sendete Kapitän Harteveldt einen SOS-Bericht aus, in dem er meldete, dass die Ankerkette kaputt gegangen war und dass das Schiff in Richtung Küste trieb. Er bat daraufhin auch auf der Stelle um Assistenz von der Küstenwache und einem Schlepper. Innerhalb von 20 Minuten traf ein Flugzeug der Marine ein und behielt uns im Auge. Um kurz vor acht kündigte Leo an, dass die Sender abgeschaltet werden würden, da wir inzwischen in den nationalen Gewässern der Niederlande gelandet waren. Der Besatzung gelang es einen der Reserveanker abzuwerfen, der unser Schiff zeitweise in der Balance hielt, der sich aber als nicht stark genug für den starken Sturm erwies." | |||||
Robbie Dale informiert die Zuhörer von dem TROS auf Hilversum 3 | ||||||
6 | "Wir trieben eigentlich immer mehr in Richtung Küste und wir beschlossen daraufhin diesen Reserveanker abzuschlagen. Der Maschinist und der Techniker probierten inzwischen die Motoren anzubekommen, aber es dauerte beinahe eine ganze Stunde bevor diese auf voller Kraft waren. Um halb neun war das Rettungsboot Bernhard van Leer in der direkten Umgebung, um eventuell Menschen von Bord holen zu können. Eigentlich war es für das Boot unmöglich, um längs unserem Schiff zu kommen. Um zehn Uhr morgens erschien auch die Königin Juliana, ein Rettungsboot aus Hoek van Holland. Außerdem kam noch eine Helikopter der Marine mit unter anderem einigen Journalisten an Bord. Dadurch das die Motoren an waren, gelang es uns selbst vom Strand wegzubleiben. Der Smitsbank, einem Schlepper aus Rotterdam, gelang es uns dann ins Schlepptau zu nehmen und in ruhigere Gewässer zu schleppen. Rund vier Uhr am Mittag kamen wir mit "Driemaster", präsentiert durch Nico Steenbergen, zurück in den Äther und wir werden bis wir wieder zu unserer normalen Ankerposition zurückgekehrt sind, rund um die Uhr im Äther bleiben." |
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7 | "Das Sendschiff hatte übrigens keine Ladung mehr, da wir noch bevorratet werden mußten und darum war es ein wahrer Spielball der Wellen. Der Zustand der MEBO II ist nun völlig unter Kontrolle und die Stimmung ist mehr als ausgezeichnet. Wir wollen Kapitän Harteveldt danke sagen für seine außergewöhnlich gute Leitung und auch den Besatzungen der Rettungsbote Smitsbank und Thames. Radio Nordsee National ist wieder zurück im Äther und bis wir wieder auf unserer normalen Position sind, halten wir sie im Bilde. Wir liegen nun vor der Küste von Noordwijk, was eine völlig andere Position ist im Vergleich zur selben Zeit gestern. Unsere heutige Position ist 52 Grad 16 Minuten Nord und 4 Grad 2 Minuten Ost. Terry Davis kommt gerade mit einer Karte ins Studio und zeigt uns, dass dies etwas nördlich des Hafens von IJmuiden ist, was nicht Noordwijk sondern Egmond aan Zee zu sein scheint. Das ist in jedem Fall sicher 24 Meilen entfernt von Scheveningen, wo wir normalerweise vor Anker liegen. Heute früh waren wir circa 70 Meilen südlich von Scheveningen, so dass wir behaupten können, dass wir eine schöne Tour entlang der niederländischen Küste gemacht haben." | |||||
8 | "Es war eine frühe Frühstück-Show für Leo und eine späte Nacht-Show für Mike. Leo, die übrigens sehr viel geschlafen hat. Um neun Uhr in der Frühe ging er ins Bett. Nur eine Viertelstunde später wurde er durch Paul May geweckt, der dachte, dass er eine bestimmte Lektüre las vor dem Schlafen. Aber gut, Leo sitzt noch immer hier und wir nehmen Sie mit zu unserer neuen alten Position. Ja, Mike, wir liegen inzwischen etwas weiter und zwar auf der Höhe der ehemaligen REM-Insel bei Noordwijk. Das soll nicht bedeuten, dass wir vor Anker liegen, aber es gibt einen Schlepper, der uns an einem Kabel treibend hält. Kerle, die es im übrigen heute hervorragend getan haben. Momentan ist es übrigens nicht mehr so rauhe See bei einer Windkraft von acht bis neun un wir haben keine Schlagseite mehr. Eigentlich ist es alles 'Peace und quiet'." |
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RNI wieder züruck in die Äther am 22. November 1971 mit Nico Steenbergen | ||||||
9 | "Sollen wir eigentlich viele Zuhörer haben bei dieser spezialen Folge von "Skyline"? Wenn Sie nach diesem Programm lauschen und es eine besondere Sache finden, dass Radio Nordsee International unter diesen Umständen im Äther ist, dann schreib uns einen Brief. Wenn ich so an den Zustand von gestern Morgen denke, dann erinnere ich mich, dass es sehr hektisch an Bord war, jeder war an der Arbeit, aber dennoch schien alles sehr koordiniert abzulaufen. Ich untersuchte zusammen mit Nico Steenbergen das Schiff und Mike machte Sandwiches. Es war im übrigen ein sonderbares Erlebnis, denn der Kapitän gab uns Instruktionen, wie wir das Schiff steuern mußten, verließ die Brücke — nachdem er uns viel Glück gewünscht hatte — und ging zu einem anderen Abschnitt der MEBO I. Wir fühlten uns in diesem Augenblick echte Seeleute, was wir auch wirklich sein mußten." | |||||
10 | "Was eigentlich auch schön ist, um zu berichten, ist, dass ich gestern abend Nachrichten im Fernsehen geguckt habe und wir den Bericht hörten, dass unglaublich viele Menschen zum Scheveninger Boulevard gekommen waren, um zu gucken, ob wir auch in den Hafen fahren würden. Sie wußten allerdings nicht, wie wir uns immer verhalten und das ist sicherlich nicht den einfachsten Weg wählen, obwohl dieses Mal nicht viel fehlte. Koos erzählte, dass es nur 500 Meter ausmachte, obwohl Radio Scheveningen uns meldete, dass es noch ungefähr 2,5 Kilometer waren. In jedem Fall spielen wir eine Platte für alle Menschen, die am Strand waren und sich wiederum in uns getäuscht haben." |
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11 | "Die lustigste Bemerkung die gestern gemacht wurde haben wir an Radio Scheveningen zu danken. Man sagte uns, dass wenn alles falsch gehen würde, wir Assistenz vom Helikopter bekämen würden. Das fanden wir eine fabelhafte Idee, denn in Amsterdam nehmen wir auch nie die öffentlichen Verkehrsmittel, sondern ein Taxi und so hatte ich überhaupt keine Lust, um mit dem Rettungsboot mitzugehen, denn dann muß man solche häßlichen Sprünge machen. Wir haben daraufhin gemeldet, das dies zwar eine gute Idee war, aber dass wir einen enorm großen Sendemast auf dem Schiff stehen haben, wodurch sich dem Schiff sehr vorsichtig genähert werden muß. Kurze Zeit später kommt der Radioman von Radio Scheveningen mit der Frage, ob wir den Sendemast nicht eben einholen könnten." | |||||
12 | "Mike kommt gerade mit einem Kasten Schokoladenmilch und einigen Dosen Erfrischungsgetränken ins Studio. Ja, Leo, wenn Du ein wahrer Trinker wärest, würden Dir die Tränen in die Augen springen, denn in der Vorratskammer ist es ein Chaos. Alle möglichen Flaschen Alkohol liegen größtenteils kaputt über den Boden verbreitet. Wie würde dieser Mix, vom Boden aufgelickt, wohl schmecken? Mit den Zigaretten sieht es auch schlecht aus, denn das was wir nun im Studio haben ist das allerletzte, obwohl noch einige Packen von diesem ekeligen starkem Shagtabak übrig sind. Wir können im übrigen ruhig behaupten, dass jeder an Bord glücklich ist und sich in guter Stimmung befindet, insofern man das über die Schlafenden sagen kann, denn es sind momentan nur drei Personen wach: Jan de Roode, Mike Ross und Leo van der Goot. Moment Leo, gerade kommt ein anderes Besatzungsmitglied, Theo van Dijk, mit unserer neuesten Position ins Studio gelaufen. Und für alle die dies zu diesem Zeitpunkt wissen wollen: Es ist genau 52 Grad 20 Minuten Nordbreite und 3 Grad und 59 Minuten Ostlänge, was 17 Meilen außerhalb der Küste der Niederlanden ist." |
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Am 24. Februar gab es wiederum einen Ankerbruch. Don Allen macht Kund | ||||||
13 | Auch dieses Mal hatte Sendschiff MEBO II Glück. Im Jahre 1972 brach erneut die Kette, obwohl es dieses mal bedeutend weniger Publizität gab als beim ersten Mal. Es passierte im Monat November und das einzige, was der Zuhörer zu hören bekam, war eine äußert kurze Mitteilung von Don Allen, der in seinem Programm von den Problemen mit dem Anker berichtete. Das letzte Mal, dass die MEBO II mit schlechtem Wetter Probleme hatte war am 2. April 1973. Das war der Abend an dem die Norderney, das Sendschiff von Radio Veronica, auf dem Strand von Scheveningen anlandete. Wunder über Wunder blieben weitere Unglücke bleiben dem Sendschiff von RNI an diesem tag weitere Unglücke erspart und so konnten die Deejays und Techniker mit dem Aussenden ihrer hervorragenden Programme fortfahren. | |||||
Am 2. April 1973 kommt die MEBO II erneut in schweren Sturm, aber rettet es, obwohl das Schiff von Veronica auf den Strand von Scheveningen aufläuft | ||||||
Original-Titel: De storm van 22 november 1971. RNI Memories (15). Aus dem Niederlandischen übersetzt von Jana Knot. In den Index Erinnerungen an Radio Nordsee International findet man die übrigen Ablieferungen aus dieser Reihe. The sound fragments on this page are copyrighted. They are used here according to the rules of fair use and academic quoting. | ||||||
2001 © Soundscapes | ||||||